Alpintrekking Oberwald – Realp

Ein dreitägiges, alpines Trekking von Oberwald via Geretal über den Passo dei Sabbioni durchs Witenwasserental nach Realp.

Am ersten Übernachtungsplatz: Gute Laune dank einigen Sonnenstrahlen.
Am ersten Übernachtungsplatz: Gute Laune dank einigen Sonnenstrahlen.

Freitag, 8. Juni 2018

Ein alpines Trekking in den Schweizer Alpen zu unternehmen war schon lange mal wieder an der Zeit. Fernab von der Zivilisation, im rauen Gelände in der Wildnis zu übernachten, auf die vielen Helferchen unserer Zeit zu verzichten und ein paar Tage in Ruhe - ohne den stetigen Lärm - zu verbringen, war das Ziel.

Im Vorfeld wurden die Leichttrekkingzelte ausprobiert.
Im Vorfeld wurden die Leichttrekkingzelte ausprobiert.

Dominik kam mit der Idee in das Gebiet zwischen Oberalp und Gotthard einzudringen und stellte über verlassene Täler, Pässe und Gipfel eine mögliche Route zusammen. Die Idee ging in die Richtung von Oberwald das Gernetal hochzusteigen, evtl. den Pizzo Rotondo oder den Witenwasserenstock zu besteigen, weiter über den Hüenerenstock, Ronggergrat zum Pizzo Lucendro und am Lago du Lucendro entlang zum Gotthardpass zu gelangen. Doch diese Unternehmung war sehr witterungsabhängig und die genaue Routenführung konnte erst vor Ort bestimmt werden.

Und los geht es in Oberwald.
Und los geht es in Oberwald.

Entsprechend umfangreich war die mitgeführte Ausrüstung, als wir am Freitag, den 8. Juni loszogen. Zwei kleine Zelte, Downmat und Schlafsack, Kochutensilien und Verpflegung sowie die komplette Hochtourenausrüstung füllten unsere Rucksäcke.

Mit dem Auto fuhren wir schliesslich bis Andermatt, von wo aus es mit der Matterhorn Gotthard Bahn durch den langen Tunnel nach Oberwald ging. Als wir und das Material abmarschbereit waren, starteten wir bei Sonnenschein los dem Geretal entgegen.

Es folgten die Wegpunkte Geisshite, Schärlibachwang, gross Stafel, bis wir nach viereinhalb Stunden den Punkt Im Cher auf 2’109m erreichten. Immer wieder lud die Gegend unterwegs zum Staunen ein. Es lag noch viel Schnee in der Talmitte, welcher uns das Vorwärtskommen erleichterte, manchmal jedoch auch erschwerte. So galt es auf die Flüsse und Bäche unter der Schneedecke acht zu geben, um ein Einbrechen zu verhindern.

Wilde Gegend...
Wilde Gegend...

Ab und zu mussten wir auch den einen oder anderen Wildbach überqueren. Einmal sogar auf die Weise, dass ich über eine Distanz von rund zwei Metern rübersprang und Dominik mir anschliessend die Rucksäcke zuwarf, bevor auch er trocken an der anderen Bachseite landete. Wir befanden uns hier in einer derart verlassenen und wilden Landschaft, dass wir geradesogut in Island oder Patagonien unterwegs sein konnten. 

Warten auf besseres Wetter...
Warten auf besseres Wetter...

Am Nachmittag bildeten sich langsam aber sicher die vorhergesagten Regenwolken über unseren Köpfen. Wir konnten es nicht mehr schönreden. Bald würde es regnen. Es galt also einen Übernachtungsplatz zu finden und einzurichten.

Im Cher fanden wir schliesslich eine flache, schneefreie Stelle um unsere Zelte aufzubauen. Gerade noch rechtzeitig, bevor es leicht zu regnen begann. Nach einem Hagebuttentee legten wir uns erst mal hin und warteten bis es sich ausgeregnet hatte. 

Zwei Stunden später schliesslich die Sensation: Sonnenschein und blauer Himmel. Wir hatten nun die Gelegenheit unsere feuchten Sachen zu trocknen und die grandiose Landschaft zu geniessen. Wenig später begannen wir dann mit dem herrichten des Abendessens. Es gab Couscous angerichtet in Tomatensuppe indessen Topf vorher die Zwiebeln angebraten wurden. Danach noch Käse, Brot und eine weitere Tomatensuppe.

Blick in die morgige Marschrichtung.
Blick in die morgige Marschrichtung.

Bevor das schlechte Wetter aufgrund des Föhnzusammenbruchs zurückkehrte, gab es noch eine Schoggi mit einem Schuss aus dem Flachmann. Dann war es wieder grauschwarz über uns und wir verkrochen uns in die Zelte.

Samstag, 09. Juni 2018

Der Wecker läutete kurz vor sechs Uhr. Die Wolken hatten sich verzogen und die umliegenden Berggipfel erfreuten sich bereits in den Sonnenstrahlen.

Draussen war es noch frisch und die Daunenjacke mit Mütze willkommen. Erst nach dem Frühstück, welches aus heissem Tee, Pumpernickelbrot und Honig bestand, wurden die warmen Kleider im Rucksack verstaut. Glücklicherweise trocknete unser Material und Zelt komplett ab.

Um 07:30 Uhr starteten wir schliesslich weiter talaufwärts in Richtung Gerengletscher. Unser Weg war von nun an schneebedeckt. Die schweren Rucksäcke drückten uns ganz schön in den weissen Firn. Bald kamen wir aus dem schattigen Talbereich raus und wir mussten die Wollmütze durch eine leichte Kopfbedeckung und Sonnenbrille wechseln.

Wir passierten ostseitig den Rotondo und peilten langsam die Lücke des Passo dei Sabbioni an. Von nun an gingen wir wegen eventuellen Spalten des Gerengletschers am Seil. Der Weg wurde steiler und wir kamen langsamer als geplant vorwärts. Je weiter wir hoch gelangten, desto mehr sanken wir in die Schneedecke ein bzw. rutschten jeweils wieder ein Stückchen zurück. Eine kräftezehrende Angelegenheit die durstig machte.

Auf dem Passo dei Sabbioni hofften wir, durch eine Lücke des Witenwasserenmassivs unterhalb des Pt. 3024 auf die andere Seite des Witenwasserenstocks zu gelangen. Wir wussten nicht, ob dies überhaupt möglich war und ob es die Schneeverhältnisse zuliessen. Erst als wir die Situation vor uns sahen, und sogar noch Borhacken im Gelände erkannten, kam Erleichterung auf. Die Alternative wäre der Abstieg und die westliche Umgehung des Witenwasserenstock gewesen.

Nach einer kurzen Pause machte ich mich auf ins gut kletterbare Blockgelände hoch zur Lücke. Es waren etwa 20 Meter im IV. Schwierigkeitsgrad, welche gut abgesichert war. Das war auch gut so, denn mit dem schweren Rucksack in Bergschuhen klettert es sich eben anders!

Auf dem Skigipfel des Witenwasserenstocks (3'025m) machten wir erst mal eine Pause und analysierten die Situation. Es hatte definitiv mehr Schnee als angenommen. Viele der Nordhänge waren weiss überzogen und unsere weitere Route in Richtung Osten des Pizzo Lucendros sahen nicht einfach aus zu begehen. Hinzu kam, dass der Schnee durch das einsinken ein Vorwärtskommen sehr erschwerte. Die Zeit für die Strecke bis zum Gotthard würde definitiv knapp und sehr kräfteintensiv werden.

Nach langen Überlegungen und Diskussionen bzgl. Alternativrouten unter Berücksichtigung was im Bereich des Möglichen war, entschieden wir uns für den Abstieg ins Witenwasserental. Hier konnten wir gut erkennen, wie im unteren Talbereich grüne Flächen entlang der Witenwasserenreuss vorhanden waren, welche sich gut als Übernachtungsplätze eignen würden. Zudem war dort auch Wasser vorhanden und somit konnte auf das Schneeschmelzen verzichtet werden.

Dominik beim Passo dei Sabbioni
Dominik beim Passo dei Sabbioni

Wenig später begaben wir uns auf zum Hüenerstock (2'881m), wo wir anschliessend auf der Höhe des Hüenersattel in das Tal des Witenwassern abstiegen. Dank den weichen Schneefeldern ging es zügig vorwärts. Bald erreichten wir herunterrutschend den Talboden und folgten dem teilweise schneebedeckten Wasserlauf der entstehenden Witenwasserenreuss zum Militärgebäude bei Oberstafel.

Auf dem Weg zum Hüenerstock
Auf dem Weg zum Hüenerstock

Nach einem kurzen Snack schritten wir weiter das Tal hinunter in Richtung Realp. Kurz vor Sunnsbiel fanden wir einen tollen Übernachtungsplatz auf einer flachen Ebene in unmittelbarer Nähe zur Witenwasserenreuss. Hier stellten wir die Zelte auf und richteten das Nachtlager ein.

Leider versteckte sich die Sonne immer wieder hinter den Wolken und eine andauernde Bise liess einen frösteln. Doch das leckere Couscous mit Tomatensosse wärmte uns wieder auf. Auch die Schokolade zum Dessert und ein Schluck aus dem Flachmann stärkten uns für die anstehende Nacht.

Unser Biwakplatz oberhalb von Sunnsbiel.
Unser Biwakplatz oberhalb von Sunnsbiel.

Sonntag, 10. Juni 2018

Es begrüsste uns ein blauer Himmel mit Sonne. Doch leider erreichten uns die Sonnenstrahlen im Talboden noch nicht. So gab es das Frühstück in angezogener Daunenjacke und Mütze. Doch bereits kurz nach dem zusammenpacken durften wir einen herrlichen sonnigen Tag geniessen. 

Ein wunderschöner Tag begrüsst uns.
Ein wunderschöner Tag begrüsst uns.

Bis hinunter nach Realp war es nur noch ein Katzensprung. Wir folgten dem ausgeschilderten Wanderweg nach Schluecht und anschliessend der Strasse bis zum Bahnhof von Realp. Hier verpassten wir gerade den Zug nach Andermatt. Doch eilig hatten wir es nicht – der ganze Tag stand uns zur Verfügung.

Bald treffen wir in Realp ein.
Bald treffen wir in Realp ein.

Nach zwei grossen Panaché fuhr bereits der nächste und schliesslich beendeten wir unser dreitägiges Trekking kurz nach 14:00 Uhr beim Autoparkplatz in Andermatt. Auf dem Heimweg kühlten wir uns noch im Vierwaldstättersee ab, denn so dreckig verschwitzt wollten wir uns zu Hause nicht sehen lassen.

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