Pizzo del Prévat

Gratüberschreitung und über die klassische Spigolo auf das Matterhorn des Südens.

Der Passo Campolungo und der Pizzo del Prévat (links) im Abendlicht.
Der Passo Campolungo und der Pizzo del Prévat (links) im Abendlicht.

Sonntag, 22. Juli 2018

An diesem Juliwochenende wollten Sandro und ich eine Hochtour in den Berner Alpen unternehmen. Doch ausgerechnet an jenen Tagen sollte es im Hitzesommer 2018 kein gutes Wetter werden! Super Timing also. Die einzige Aussicht auf sonniges Wetter würde das Tessin bieten. Doch Klettern im Tessin war doch eigentlich eine Winterdisziplin…

Nicht aber für die Region der Leventina. Dort, weit oberhalb von Quinto, befindet sich nämlich das Matterhorn des Südens: der Pizzo del Prévat. Ein eleganter Felsberg mit Kanten und Ecken, welcher seit den Anfängen des Kletterns bestiegen wurde. Hier sollten wir ein lohnendes Ziel finden :-)

Auf dem Weg zur Capanna Leit SAT.
Auf dem Weg zur Capanna Leit SAT.

Wir trafen uns am Sonntag einmal mehr in Erstfeld und fuhren mit einem Auto durch die lange Röhre nach Airolo und weiter nach Quinto, wo wir die Autobahn verliessen und nach einigen wenigen weiteren Kilometern die Ortschaft Rodi erreichten.

Von Rodi brachte uns die 6er-Gondelbahn hoch zum tiefblauen Lago Tremorgio (1'770m). Hier traten wir die Wanderung zur Capanna Leit SAT an, wo Sandro zuvor zwei Betten reserviert hatte. Nach rund eineinhalb Stunden erreichten wir die moderne und sehr geräumige Hütte. Im Blickfeld immer der imposante Pizzo del Prévat.

Olli im Vorstieg auf dem Grat.
Olli im Vorstieg auf dem Grat.

Beim Mittagessen auf der Terrasse entschieden wir uns heute zu einer Gratüberschreitung von Nord nach Süd aufzubrechen und am nächsten Tag über die klassische Nordostroute, die Spigolo, aufzusteigen.

Um auf den Passo Campolungo (2'318m) zu gelangen, mussten wir erst ein wenig runtersteigen und anschliessend über den rotweissen Wanderpfad hoch zu der originellen Hütte am Pass hochmarschieren. Der Übergang des Campolungo (2'318m) schliesst das Valle Leventina mit dem Valle Lavizzara zusammen. Dort zogen wir unsere Klettersachen an und stiegen auf, in Richtung der weissen, auffälligen Felsformationen.

Sandro auf der Abseilpiste.
Sandro auf der Abseilpiste.

Die verschiedenen Gesteine des Pizzo del Prévat waren faszinierend. So gab es hier Aufschlüsse von weissem Zuckerdolomit und dolomitischem Marmor der Trias. Diese speziellen Gesteinsarten hinterliessen im Verlauf der Jahre ganz feinen Sand. Teilweise kamen wir uns vor wie in der Wüste oder am Strand.

Der Flaschenzug wird geübt!
Der Flaschenzug wird geübt!

Als das Kraxeln zu ausgesetzt wurde, seilten wir uns an und kletterten die III und IV Stellen bis zum Gipfel. Schneller als gewünscht kamen wir dort an, doch der Abstieg mit den fünf Abseilstellen war genauso interessant wie der Aufstieg. Nach einer kurzen Rast nahmen wir diese in Angriff.

Blick auf die Capanna Leit.
Blick auf die Capanna Leit.

Natürlich kehrten wir nicht zu spät zur Hütte zurück, sodass wir noch vor dem Essen ein paar Bierchen in der Sonne geniessen konnten. Zum Abendessen gab es eine leckere Suppe und Risotto mit Rindfleisch. Jedoch kein Dessert! So was hatten wir beide noch nie erlebt. Was Süsses zum Dessert wäre toll gewesen. Doch dafür standen auf den Tischen freies Mineralwasser und Brot. Und, jeder Gast bekam eine Stoffservierte. Auch sowas hatten wir beide noch nie auf einer Hütte erlebt :-) 

Montag, 23. Juli 2018

Die Nacht auf Montag verbrachten wir in einem eigenen Zimmer. Auch im Frühstücksraum um halb sieben waren wir alleine. Beim Zmorge stachen die vielen selbst gemachten Konfitüren hervor. Eine Auswahl die sich sehen lassen konnte.

Danach waren wir gestärkt für den Tag und abmarschbereit. Doch das Wetter bereitete uns Sorgen. Waren für heute doch 13 Stunden Sonnenschein vorausgesagt, jedoch über der Hütte eine dicke, schwarze Wolkendecke, von welcher es feucht niederrieselte. Was machen?


Die Blicke in alle vier Himmelsrichtungen zeigten dasselbe Bild. Definitiv kein sommerliches Kletterwetter. Doch wir waren nun mal hier und die Tour geplant und so starteten wir hoch zum vorgesetzten Felsbuckel des Pizzo del Prévat.

Der Einstieg zur Spigolo NE war schnell gefunden. Der Fels jedoch kalt und zudem ging ein bissiger Wind. Als wir schliesslich loskletterten war ringsum noch immer alles wolkenverhangen. Zum Glück hatten wir unsere Windjacken dabei!


Die Route bestand aus 10 Seillängen (5b, 5b+, 4c, 5b, 4c, 5a, 4c, 5c, 3c, 3b) in bestem Gneis und war klassisch abgesichert, was heisst, dass ab und zu ein Friend oder Keil zum Einsatz kam. Doch der Fels war derart gutmütig, dass sich immer ein Briefkasten, Zacken oder eine Leiste finden liess.

Beim Vorstieg wechselten wir uns ab. So kam jeder mal in den Genuss des Vorsteigens in dieser alpinen und traumhaften Route.


Erst als wir über die letzte Seillänge den Gipfel erreichten, kam die Sonne langsam hinter den zahlreichen Wolken hervor. Wenigstens konnten wir so noch die Aussicht geniessen. Doch unsere Jacken behielten wir bis nach dem Abstieg an, so kalt ist es uns in der Zwischenzeit geworden.

Den Rückweg zur Hütte kannten wir ja vom gestrigen Ausflug genauestens. Statt einem Gipfelbierchen gab es heute erst einen wärmenden Kaffee. Schliesslich, kurz vor dem Abstieg zur Seilbahn Tremorgio, kam dann noch ein Hopfentee dazu.

Am Gipfel angekommen; endlich scheint die Sonne!
Am Gipfel angekommen; endlich scheint die Sonne!

Kurz vor 15:00 Uhr brachte uns dann die Seilbahn hinunter nach Rodi, wo es deutlich wärmer war und die Sonne schien. Zurück beim Auto, ging es dann heimwärts. Dank wenig Verkehr waren wir noch rechtzeitig zu Hause, um alles aufzuräumen, zu waschen und uns für die kommenden Arbeitstage vorzubereiten.


Klettern am Pizzo del Prévat ist ein Traum mit Wiederholungspotential. Evtl. über den Parete est beim nächsten Mal?

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